Promovieren mit Kind – oder: Mit Leidenschaft und Organisation ist alles möglich
Anna ist Mutter von drei Kindern, promoviert im Fach Kunstgeschichte und ist selbstständig als Kunstberaterin. In diesem Bericht erfahrt Ihr, wie sie diese vielfältigen Tätigkeiten unter einen Hut bringt und was sie an ihrer Situation besonders schätzt.
Liebe Anna, erzähl‘ uns etwas von Deiner Situation als promovierende Mutter.
Ich bin Anna, Jahrgang 1987, promoviere nun schon seit 2013 im Fach Kunstgeschichte an der Universität Bonn und habe drei wunderbare Töchter. Ich habe Kunstwissenschaften und Germanistik in Koblenz und Perugia studiert. Noch während meines Magisterstudiums wurde ich ungeplant schwanger – und dabei hatte ich immer gedacht «Wer heute noch ungeplant schwanger wird, muss ganz schön blöd sein» ? Tja, und zack hatte es mich erwischt und das war das Wunderbarste was meinem heutigen Mann und mir passieren konnte. Wir waren bereits acht Jahre zusammen und Kinder waren irgendwann ohnehin vorgesehen, zwar eigentlich nicht unbedingt mit 24 und vor dem Doktortitel aber wie John Lennon schon sang: «Leben ist das, was passiert während du eifrig dabei bist andere Pläne zu machen». Meine Magisterprüfungen absolvierte ich hochschwanger und zwei Wochen nachdem ich 2012 meine Magisterurkunde in der Hand hielt, durfte ich auch schon unsere älteste Tochter in den Armen halten.
Groß geplant war also unsere Familiengründung nicht und sicher auch nicht der sorgloseste Start. Ich hatte gerade den Studienabschluss, einen Nebenjob im Auktionswesen und die bereits geplante Promotion vor der Nase und mein Mann war gerade frisch in die Selbstständigkeit als Finanzberater gestartet. Aber mit viel Arbeit, viel Leidenschaft und einem guten Zusammenhalt ließ sich das alles meistern.
Für uns war klar, dass wir unseren Kind(er)n vor allem eines geben wollen: Zeit! Wir wollten da sein, möglichst nah erleben wie sie aufwachsen und sie dabei bestmöglich unterstützen. Da natürlich irgendwo auch der Lebensunterhat verdient werden muss, war also schnell klar, dass wir eine relativ klare Aufteilung praktizieren werden. Mein Mann arbeitete viel, um die Selbstständigkeit aufzubauen und ich übernahm die Rolle der Mama und Hausfrau. Ich liebte und liebe es Mama und auch Hausfrau zu sein (Naja, die nicht enden wollende Wäsche und das Gemecker über mein Mittagessen nicht ?), aber ich brannte auch darauf beruflich etwas zu machen. Ich hatte großes Glück! Alle drei Mädels waren unglaublich pflegeleicht, so dass ich immer viel nebenher geschafft bekam. Außerdem, und das ist sehr wichtig, haben wir unsere Familien, die uns liebend gerne unterstützen, wann immer wir sie brauchen. Ich hatte dazu im Auktionshaus eine tolle Chefin, die mir Heimarbeit ermöglichte, also behielt ich den Nebenjob. An der Uni übernahm ich außerdem Lehraufträge und auch hier war man sehr entgegenkommend und ermöglichte mir Blockveranstaltungen ganz nach meinen familiären Möglichkeiten. Meine Promotion meldete ich 2013 in Bonn.
2014 und 2016 wurden unsere zwei weiteren Töchterlein geboren und zwischendrin, 2015, gründete ich mit meiner besten Freundin, die in fast derselben Situation war wie ich, eine Kunstberatung in Form einer GbR. Wir betreuen mehrere Ausstellungshäuser, kuratieren Ausstellungen, erstellen Gutachten, halten Vorträge und vieles mehr. Seit 2017 habe ich außerdem mit zwei Freunden noch einen Kinderbuchverlag gegründet, das war eigentlich ein kleines Projekt, ein Buch für meine eigenen Kinder, welches nun Ausgang für etwas Größeres wurde (mehr zu Kunstberatung unter www.ductus.info, mehr zum Kinderbuchverlag unter www.kamido.de)
Wie hast Du die Promotionsphase mit Kindern bisher erlebt? Was hat Dir geholfen? Was war für Dich schwierig?
Ich hatte wirklich großes Glück, unsere Zwerge haben immer viel geschlafen und meine Schwangerschaften verliefen alle drei sehr gut. Ich war eigentlich immer fit bis zum Ende. Für mich ergänzte sich Familie und Arbeit optimal. Ich habe viel Freude an der Arbeit und auch an meinen Kindern. Natürlich erfordert das Ganze – Kinder, Ehe, Promotion, Selbstständigkeit – vor allen Dingen ein sehr gutes Organisationstalent und Einsatz. Ich bin sehr dankbar, dass mich alle diese Lebensbereiche sehr erfüllen und glücklich machen, so geht mir meistens alles recht leicht von der Hand, auch wenn dahinter viel Arbeit steckt. Wenn man etwas mit Leidenschaft macht, erleichtert dies schon vieles.
Dass ich all die Dinge mit Leidenschaft machen kann, liegt vor allem auch an meinem Mann, der eine große Hilfe ist. Er sichert unseren Lebensunterhalt und ermöglicht mir damit sehr viele Freiheiten, dafür halte ich ihm zuhause den Rücken frei. Auch wenn ich die meisten Aufgaben alleine übernehme, unsere Kinder alle nur am Vormittag in Schule und Kindergarten sind und somit ab 12 Uhr mittags das Leben tobt, so ist seine Selbstständigkeit ein Segen und ermöglicht uns eine freie Einteilung von wichtiger Familienzeit und auch Zeit als Ehepaar.
Geholfen hat mir außerdem mein Doktorvater. Er hat mir ganz offen gezeigt, dass es nötig ist, im Leben Prioritäten zu setzen und dass es vollkommen in Ordnung ist, dass diese für mich jetzt und in den kommenden Jahren bei den Kindern und der Familie liegen. Außerdem machte er mir deutlich, dass ich nun einmal akzeptieren muss, dass man nicht alles zur gleichen Zeit haben kann und dass die Promotion machbar ist, aber länger dauern wird (und darf), gerade wenn ich neben Kindern und Promotion auch noch arbeite.
Ich denke, ganz wichtig ist immer die eigene Erwartungshaltung. Und das ist oft die Schwierigkeit, diese richtig einzuschätzen und anzupassen an das, was machbar und möglich oder nötig ist.
Laut dem buwin 2017 schieben viele Wissenschaftler*innen ihren Kinderwunsch aus beruflichen Gründen auf. Was sind aus Deiner Sicht die Gründe dafür?
Vielleicht liegt es daran, dass viele Angst haben beides zu vereinbaren oder eben auch Chancen zu verpassen. Als ich neulich im Oberseminar einen Vortrag zu meiner Doktorarbeit hielt, fragt mich eine Kommilitonin, ob ich denn nicht denken würde meine eigenen Ressourcen zu verschenken, wenn ich den Doktor in der Tasche hätte aber doch sehr gebunden und wenig flexibel sei wegen der drei Kinder. Ob der Doktor und die ganze Arbeit dafür nicht verschwendete Zeit seien? Ehrlich gesagt war ich da etwas sprachlos, denn daran hatte ich im Leben noch nie gedacht. Den Doktor mache ich vor allem für mich, um mich selbst weiter zu entwickeln und um mir möglicherweise Türen zu öffnen für alles, was vielleicht auf mich wartet.
Vollkommen klar ist aber, dass man selbstverständlich berufliche Chancen verpasst. Man kann im Leben nicht immer alles haben und muss sich regelmäßig hinterfragen, was man wirklich will. Ich denke, schwierig ist es eben, seine Erwartungen richtig einzuschätzen und mit der Realität zu vereinbaren. Meistens muss man ja bereits wissen was für eine Mama / Papa man sein will, wie viel Zeit man zuhause / auf der Arbeit verbringen will etc., bevor man überhaupt sein Baby in den Armen hält und weiß, was es bedeutet eine Familie zu haben.
Bedeutend ist es hier meiner Meinung nach, offen mit seiner / seinem Partner*in (wenn denn vorhanden) zu reden und sich dieser Herausforderung als Familie bewusst gemeinsam zu stellen. Was erwartet man voneinander? Wie kann man sich unterstützen? Und solche Gespräche sind nicht nur am Anfang nötig, sondern immer wieder! Dies ist wichtig, um sich auch als Paar, zwischen Arbeit, Kindern, Alltagsstress und Promotion nicht zu verlieren. Manchmal muss man eben die ein oder andere Entscheidung revidieren, Dinge neu planen, damit alles funktioniert und alle Familienmitglieder zufrieden sind.
Wie sind Deine Erfahrungen bezüglich Vereinbarkeit im System Universität?
Wenn man die richtigen Menschen um sich hat, sprich den richtigen Betreuer der Doktorarbeit, ist einem denke ich schon sehr geholfen. Ich hatte bisher immer sehr viele Freiheiten, mein Doktorvater hatte Verständnis für familiäre und auch berufliche Ablenkungen von meiner Doktorarbeit. Er versteht es aber beispielsweise aktuell auch sehr gut, mir beratend zur Seite zu stehen und verweist darauf, dass es manchmal auch wichtig ist sich zu fokussieren. Diesen Rat nehme ich gerne an.
Wie erlebst Du die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zur Zeit?
Ich bin derzeit ja noch in vielen Bereichen tätig und bin dankbar, dass ich neben der Familie auch beruflich so viele Erfahrungen sammeln darf. Ich habe Lehraufträge und bin auch selbstständig vielfältig tätig. Die Selbstständigkeit hat viele Vorteile, birgt aber auch Risiken. Die mehrheitlich freie Zeiteinteilung ist zwar wunderbar, aber häufig wird das Homeoffice auch zur Falle und ich arbeite mehr als gedacht. Meine Hauptarbeitszeit ist beispielsweise am späteren Abend, wenn auch mein Mann noch lange im Büro sitzt. Wenn ich allerdings bis 2 Uhr nachts am PC sitze, morgens um 6 Uhr raus muss und nachts das ein oder andere Kind Bedürfnisse hat, wird’s natürlich anstrengend. Gerade mit dem Schulstart unserer ältesten Tochter habe ich beispielsweise gemerkt, dass ich derzeit zu viel nebenher arbeite und einfach nicht mehr alles vereinbaren und allen Bereichen gerecht werden kann. Die Konsequenz: Ich trete kürzer und werde ab Sommer die Selbstständigkeit stark einschränken. Dann wird die Promotion neben der Familie im Vordergrund stehen. Ich bin guter Dinge, sie erfolgreich zu beenden und freue mich auf diese Herausforderung.
Was würdest Du promovierenden Eltern gern sagen?
Kinder und Familie sind etwas Wunderbares! Natürlich ist es anstrengend, aber es lohnt sich und man wächst mit seinen Aufgaben, wie immer im Leben. Wenn man erstmal ein kleines Familienunternehmen managt, fallen einem viele andere Sachen leichter und genauso relativieren sich auch Stellenwerte im Leben. Ich denke, man sollte sich nicht abschrecken lassen und sich nicht zu sehr an Plan A vom eigenen Leben festhalten. Denn abseits des strikten Plans liegen oftmals viele bereichernde Abenteuer und Herausforderungen.
Die zweite Kunst, die ich selbst noch lernen muss, ist, sich manchmal einzuschränken und zu fokussieren. Ich bin sehr gerne aktiv, begeisterungsfähig und habe den Kopf immer gleichzeitig voll von mehreren Ideen. Ab sofort gilt aber bei mir die Devise «Weniger ist mehr!» Und schon Shakespeare hat ja einmal gesagt «Jedes Ding hat seine Zeit». Ich denke, da ist viel Wahres dran und wünsche allen promovierenden Mamas und Papas da draußen viel Elan, Mut und Durchhaltevermögen und dazu auch viel Freude an Kombination aus Arbeit/Promotion und Familienalltag!
Liebe Anna, ich danke Dir herzlich für diesen erfrischenden und ermutigenden Einblick in Dein Leben mit Promotion, Familie und Selbstständigkeit. Alles Gute für Deinen vielfältigen Weg und toi toi toi für den Diss-Endspurt!
Wenn auch Ihr Lust habt, einen Einblick in Euren Promotionsalltag mit Kind zu geben, dann schreibt mir eine Email an hallo@klarwaerts-coaching.de