Ein zweites Kind in der Promotionsphase? Neuer Arbeitsalltag mit zwei Kindern + Tipps für Deine Promotion in der Babyzeit
Ende Januar ist unser zweites Kind zur Welt gekommen: Ein riesiges Ereignis, aber auch eine riesige Veränderung? In diesem Beitrag möchte ich Euch davon berichten, wie mein Leben nach der Geburt unserer Tochter aussieht und welchen Stellenwert meine Arbeit aktuell hat. Vielleicht spielt Ihr ja mit dem Gedanken, in der Promotionsphase ein zweites Kind zu bekommen. Ich habe aus meinen Erfahrungen einige Tipps gebastelt, die für Euren Promotions- und Familienalltag nützlich sein können.
Der neue Stand der Dinge
Die ersten Notizen für diesen Beitrag schrieb ich genau 3 Wochen nach der Geburt. Keine Frage, daran wäre bei unserem ersten Kind nicht zu denken gewesen. Doch dieses Mal hat sich alles recht schnell eingespielt. Was dazu beitragen hat, dass es so schnell so gut lief: Mein Mann hatte Elternzeit, der große Bruder ging und geht weiterhin 4 Tage/Woche zur Tagesmutter und ich habe immer mal kleine Zeitfenster für mich. Familie oder Verwandte haben wir übrigens nicht vor Ort, die Omas und Opas kommen aber ab und an für einzelne Tagesbesuche vorbei.
Befürchtungen und Pläne vor der Geburt
Dass ich so schnell wieder zum Arbeiten komme, hätte ich vor der Geburt nicht gedacht. An erster Stelle stand meine Sorge, dass sich die Arbeit fremd anfühlen würde, wenn ich mich nach der Geburt wieder daran setze. Ich vermutete, dass meine bestehenden Aufgaben mir nicht mehr wichtig sind oder dass meine Ziele nicht mehr stimmig erscheinen würden. Beruhigend war in diesem Zusammenhang ein Gespräch mit einer lieben Kollegin, die mir sagte, ich sei inzwischen erfahren im Arbeiten mit Kind, ich könne auf meinen bisherigen Erfahrungen aufbauen und die Situation würde sich nicht mehr völlig neu anfühlen. Heute kann ich sagen: Sie hatte glücklicherweise recht.
Wie habe ich mich also vorbereitet, um nach der Geburt gut wieder anknüpfen zu können?
- Geplant hatte ich eine Auszeit, die in etwa der Dauer des Mutterschutzes entspricht, also vier Wochen vorher und acht Wochen nach der Geburt. Als Selbstständige gibt es den Mutterschutz und entsprechende Zahlungen nicht, es blieb also mir selbst überlassen.
- Da es mir die ganze Schwangerschaft über gut ging, habe ich bis kurz vor der Geburt immer mal etwas für meine Selbstständigkeit gemacht…ganz ohne Stress und so, wie es meinen Kräften entsprach. Wichtig fand ich, einen guten Ausgleich zu schaffen zwischen einer bewussten Vorbereitung auf die Geburt und einer geistigen Herausforderung (ohne die mir ziemlich langweilig geworden wäre). So fanden bspw. Gespräche mit meiner Mentorin und Skypegespräche mit möglichen Kooperationspartnerinnen an.
- Alle laufenden Promotionscoachings habe ich für kurze Zeit unterbrochen, d.h. es fanden in meiner Babypause keine Gespräche statt. In meinen Coachings möchte ich 100% geben und hätte in der späten Schwangerschaft nicht mit meiner ganzen Aufmerksamkeit da sein können. Meinen Klient*innen hatte ich meine Erreichbarkeit per Email signalisiert. Hätte es einen dringenden Bedarf gegeben, so hätte ich einen Gesprächstermin eingerichtet.
- In meiner Facebook-Gruppe für promovierende Eltern habe ich angekündigt, dass es von meiner Seite aus für einige Zeit ruhiger wird, dass sie aber weiterhin für Fragen und gegenseitigen Austausch genutzt werden kann.
- Mein Netzwerk aus berufstätigen Müttern, zu dessen Treffen ich einmal monatlich fahre, habe ich bis kurz vor Schluss besucht. Viele von ihnen haben mitgefiebert und hatten natürlich Verständnis dafür, dass ich mir eine Auszeit nehme. Hier tat es mir gut, weiterhin über Social Media mit ihnen in Kontakt zu stehen und die aktuellen Entwicklungen zu verfolgen. Das nächste Treffen werde ich dann mit Baby im Gepäck besuchen 🙂
- Was ich vor der Pause motivierend fand, war der Gedanke, meine Erfahrungen könnten auch meinen Klient*innen nützen. Schließlich gewinne ich gerade noch mal ganz aktuelle Einblicke in die alltäglichen Herausforderungen mit Baby und Arbeit. Eine gute Möglichkeit, Eure Situation als promovierende Eltern nachzuempfinden!
Arbeiten mit Kleinkind und Baby: Motivation vs. Schlafmangel
Wie sieht es also jetzt, ein paar Wochen nach der Geburt, in meinem Alltag aus? Welchen Stellenwert hat meine Arbeit, was schaffe ich und wie motiviert bin ich?
- Zunächst einmal bin ich dankbar: Nur aufgrund einer unkomplizierten Geburt bin ich überhaupt schon wieder so fit, dass ich ans Arbeiten denken kann. Beim ersten Kind wäre ich zu diesem Zeitpunkt dazu nicht in der Lage gewesen.
- Die Arbeit ist gar nicht so weit aus meinem Leben weggerückt. Nach ein paar Tagen habe ich einige Unterlagen wegsortiert und mich gefreut, dass meine ToDo-Liste noch auf dem Schreibtisch lag und ich direkt wieder Lust hatte anzuknüpfen. Das war in meiner Festanstellung bei der ersten Geburt ganz anders: Durch Mutterschutz und Pendeln und private Umzugspläne hatte sich größere zeitliche, räumliche und gedankliche Distanz eingestellt. Und schließlich hatte dieser Job für mich nicht die gleiche Bedeutung für mich meine selbstständige Tätigkeit als Promotionscoach.
- Passenderweise gingen während meiner Babypause zwei neue Anfragen ein. Diese habe ich als riesige Motivation erlebt. Durch die beiden Erstgespräche war ich wieder im Thema und in meiner professionellen Rolle angekommen. Im Vergleich dazu fühlt sich ein ausstehender Artikel zu meiner Diss sieben Jahre nach der Verteidigung nicht besonders attraktiv an. Er hat einfach keine Anknüpfungspunkte zu meinem aktuellen Leben und wurde streckenweise fleißig prokrastiniert 😉 Wie ich es dennoch geschafft habe, mich daran zu setzen? Ich stellte mir das Resultat vor und wie es sich anfühlt, den fertigen Artikel im Sammelband gedruckt zu sehen. Update ganz frisch von heute: Er wurde soeben eingereicht! 🙂
- Eine meiner größten Herausforderungen kurz nach der Geburt war der Schlafmangel und damit verbunden die Frage, ob ich die Zeit, in der der Große betreut ist und das Baby schläft, meinem eigenem Schlaf widme oder mich an den Rechner setze. Ich habe das von Tag zu Tag entschieden: Manchmal waren keine klaren Gedanken möglich, dann war an Arbeit nicht zu denken. Manchmal ging mir eine berufliche Sache nicht mehr aus dem Kopf, dann war die Zeit richtig für dieses ToDo. Wenn es sich um eine sehr große Aufgabe handelt, dann teile ich sie in kleine und überschaubare Schritte ein, z.B. „erste Gedanken für den Artikel notieren“, „ Rohentwurf schreiben“, „Entwurf lesen und Anmerkungen hinzufügen“ etc.
- Wie sieht es mit meiner Motivation und der Umsetzung meiner ToDos aus? Die Entscheidung, womit ich beginne, treffe ich oft ganz intuitiv. Ich höre in mich hinein: Was drängt sich gerade auf? Was geht mir nicht aus dem Sinn? Wofür wird es langsam wirklich mal Zeit? Wenn sich dringende Aufgaben gedanklich dazwischen schieben, z.B. der Elterngeldantrag, ein Brief an die Versicherung oder auch der Wäscheberg, schiebe ich diese bewusst nach hinten. Priorität hat die inhaltliche Aufgabe, von der es mich abends am meisten ärgern würde, wenn sie unerledigt geblieben wäre.
- Apropos abends: Ich persönlich arbeite nicht, nachdem die Kinder im Bett sind. Erstens fehlt mir am Ende des Tages die Energie dazu und ich bekomme nur Mittelmäßiges zustande, und zweitens wühlt mich die Kopfarbeit so sehr auf, dass ich viel später als üblich in den Schlaf finde. Davon abgesehen war unser Baby anfangs abends sehr unruhig, die eingeforderte Kuschelzeit kam mir also sehr gelegen. 😉
- Noch etwas zum Thema produktiv Arbeiten mit Baby, das Ihr sicher auch gut kennt: Der Umstand, dass ich jederzeit unterbrochen werden kann, verhindert manchmal das Eintauchen in die Aufgabe. Wenn das Baby aufwacht, werde ich aus meiner Tätigkeit rausgerissen, mitten im Arbeitsprozess. Aber ich denke mir: Einen Teil der Aufgabe erledigt zu haben ist immer noch besser als sie gar nicht zu beginnen. So klappt es meistens, dass ich am Ball bleibe.
- Was ich gerade als sehr positiv erlebe, sind meine Pläne für die kommende Zeit: Bei dem Netzwerk, von dem ich oben schrieb, sind Babys willkommen, d.h. ich werde schon bald wieder zum ersten Treffen fahren und mich austauschen. Mit meiner Kollegin (die mit den beruhigenden Worten von oben ;)) habe ich mich bereits wieder getroffen. Ein Webinar habe ich gehalten und alle meine Klient*innen wieder kontaktiert und gesprochen. Das alles gibt mir Schwung und bringt mich ins Arbeiten – eine Art von Arbeit, die mir Freude macht und die zu mir passt. Ich wünsche Euch, dass es Euch bei Eurer Promotion mit Familie ebenso geht!
Ein zweites Kind in der Promotionsphase? Das kannst Du für den Fortschritt Deiner Dissertation tun.
Triff’ rechtzeitige Vorbereitungen.
Wenn möglich, halte rechtzeitig vor der Geburt des zweiten Kindes inne und mache Dir klar, wie Du die Zeit vor- und nachher gestalten möchtest: Wie lange wirst Du bewusst nicht an der Diss arbeiten und wann wieder anfangen? Was möchtest Du noch fertigstellen und womit wirst Du nach Deiner Unterbrechung beginnen? Gibt es Termine, die Du bereits absehen kannst, z.B. Tagungen, Betreuungsgespräche oder Kolloquien?
Finde motivierende Gedanken.
Schreibe auf, was Dir gerade an Deiner Arbeit gefällt, mit welchem Ziel Du sie schreibst und was Du Deinem zukünftigen promovierenden Ich sagen möchtest. Auf diese Punkte kannst Du später zurückgreifen und sie als Antrieb nutzen.
Vertraue auf Deine Erfahrungen.
Hier kann ich den Tipp meiner Kollegin nur dankbar weitergeben: Mit großer Wahrscheinlichkeit wird ein zweites Kind Dein Leben nicht so sehr umkrempeln wie das erste. Du wirst Dich intuitiv erinnern, was zu tun ist. Du weißt bereits, wie Promovieren mit Kind funktioniert. Und dank Deiner Kompetenz und Erfahrungen wird es das auch dieses Mal.
Setze Dir überschaubare Ziele.
Und zwar solche, die sich motivierend und lohnenswert anfühlen. Und wenn Du die ersten Minuten mit Deiner Diss „verbringst“, dann erinnere Dich: Auch kleine Schritte bringen Dich voran. Oder wie es neulich eine Promovierende so treffend sagte: Ein Satz ist besser als kein Satz.
Bleibe flexibel und erwarte nicht zu viel.
Bleibe flexibel und sei offen für den Tag. Die Diss kann warten, die Bedürfnisse Deines Babys nicht. Alles was Du schaffst, ist gut. Alles, was liegen bleibt, wird ohne schlechtes Gewissen zu einem anderen Zeitpunkt angegangen. Vielleicht notierst Du noch schnell Deinen aktuellsten Gedanken, dann fällt das spätere Anknüpfen leichter. Und dann widme Dich mit gutem Gefühl Deinem Baby. Wie heißt es doch so schön: Die erste Zeit geht so schnell vorbei.