Dinah ist Mutter von zwei Kindern, lebt mit ihrem Mann in Köln und arbeitet als Post-Doc an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf. Im Interview erzählt sie, wie sie ihren Alltag aus Wissenschaft und Familie gestaltet, wie sie das Promovieren mit Kindern erlebt hat und wie sie heute über Vereinbarkeit im Hochschulsystem denkt.
Liebe Dinah, erzähle mir etwas von Deinem beruflichen Werdegang. Wie lebst und arbeitest Du heute?
Ich habe 2009 mein Studium der Patholinguistik an der Universität Potsdam abgeschlossen. Der Betreuer meiner Abschlussarbeit hat mir im Anschluss eine Stelle in einem Forschungsprojekt angeboten. Im Fach Linguistik habe ich kumulativ promoviert , d.h. ich habe drei unabhängige wissenschaftliche Fachartikel veröffentlicht und sie mit einer Einleitung zusammen eingereicht.
Mein erster Sohn ist 2012 zur Welt gekommen. Mein zweiter Sohn wurde 2015 geboren, kurz vor Ende meiner Promotion. Die Verteidigung meiner Dissertation war sozusagen meine letzte Amtshandlung vor dem Mutterschutz. Bei beiden Kindern habe ich ein Jahr Elternzeit genommen. Seit 2016 arbeite ich als Post-Doc in Vollzeit. Mein Mann ist Pfarrer, d.h. an unseren Wohnort gebunden. Ich pendele deshalb von Köln nach Düsseldorf. Aktuell kümmere ich mich viel um meine Lehrveranstaltungen und das Schreiben von Drittmittelanträgen. Auch die Frage nach einem neuen Forschungsschwerpunkt beschäftigt mich zur Zeit.
Wie gestaltet Ihr als Paar Euren Alltag?
Wir haben die Aufgaben rund um Kinder und Haushalt absolut gleichberechtigt aufgeteilt. Familie haben wir nicht vor Ort; im Alltag sind wir alleine und trotzdem klappt es. Beide Kinder gehen in die Kita, seit sie ein Jahr alt sind. Da wir beide voll berufstätig sind, müssen wir Freunde der Organisation sein. Wir haben einen gemeinsamen Online-Kalender für unsere Termine. Wenn wir gut sind, wissen wir ein bis zwei Wochen im Voraus, wer wann die Kinder abholt und bringt. Die Kinder machen das alles total gut mit. Von Vorteil ist, dass mein Mann als Pfarrer keinen typischen nine to five-Job hat. Was auch zum Funktionieren unserer Konstellation beiträgt, ist, dass wir uns als Paar Zeit freischaufeln. Wir aktivieren ungefähr alle zwei Wochen für einen Abend unseren Babysitter, entweder, wenn sich unsere beruflichen Termine überschneiden oder damit wir uns einen gemeinsamen Abend gönnen.
Wie hast Du das Promovieren mit Kind erlebt?
Ich habe vor allem von der Flexibilität meiner Stelle profitiert. Ich hatte einen Betreuer, der mir viel Freiraum gelassen und mir vertraut hat, so dass ich aus der Ferne arbeiten konnte. Das funktioniert glaube ich nicht in jedem Gespann, manch einer braucht mehr Anleitung. Ich will nicht sagen, dass ich keine brauchte, aber unsere Art und Weise zu arbeiten hat sehr gut funktioniert. Wir hatten punktuelle Treffen, durch die ich genug Futter mitgenommen habe und selbst weiter recherchieren konnte. Besprechungen haben wir oft per Skype gemacht und für meine Experimente bin ich nach Potsdam gefahren.
Ein positiver Faktor für meine Tätigkeit war auch, dass ich unkomplizierte Schwangerschaften hatte und lange aktiv war. Auch nach der Geburt bin ich in der Elternzeit mit Baby ins Labor gegangen und habe Experimente für meine Diss gemacht. Bei meinem zweiten Kind war das aufgrund einer Krankheit im ersten halben Jahr so nicht möglich, da habe ich in der Elternzeit nichts für den Job gemacht.
2013 hat sich für meinen Mann die Chance ergeben, beruflich für ein Jahr ins Ausland zu gehen. Ich habe meinen Betreuer mit einem etwas mulmigen Gefühl gefragt, ob ich von London aus für Potsdam arbeiten könnte. Die Antwort: „Ja, klar.“ So bin ich privat ein Jahr mitgegangen, da war mein erster Sohn schon auf der Welt. Ich habe dann in London Home Office gemacht und berufliche Verbindungen zur UCL gezogen. Dadurch sind wiederum Kooperationen entstanden, z.B. bin ich als Sprecherin auf einer ziemlich wichtigen Konferenz eingeladen.
Apropos Konferenzen: Hast Du den Eindruck, dass Deine Teilnahme an Tagungen sich durch Deine Familiensituation reduziert hat?
Also, ich versuche die Teilnahme immer möglich zu machen. Das mache ich ca. zwei bis drei Mal im Jahr, mein Mann hält mir dann den Rücken frei. Es kann schon sein, dass ich ohne Kinder noch mehr unterwegs wäre, aber irgendwann muss man ja die Forschung auch erst einmal produzieren, die man präsentieren kann. Ich glaube, dass sich da in dem Verhalten gar nicht so viel verändert hat im Vergleich zu der Zeit, als ich noch keine Kinder hatte.
Was sind Deine Erfahrungen bezüglich der Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft?
Ich denke, der Job hat sehr viele Vorteile. Wenn man sich loslöst von dem Gedanken, man müsse unbedingt mit Ach und Krach eine akademische Karriere hinkriegen, und wenn man das eher als Projekt dieser Zeit des Lebens sieht, dann kann es total gewinnbringend sein. Ich glaube, dass ich auch jetzt auf anfänglicher PostDoc-Ebene selbst noch unheimlich viel lernen kann. Und mit einer Dissertation – wenn du sie als Teil der Ausbildung siehst – hast du auf jeden Fall bewiesen, dass du dranbleiben kannst und dass du dich so tief ins Thema einarbeitest, bis du der Spezialist bist in dieser Sache.
Was mich in diesem Job gehalten hat, war in jedem Fall das Stellenangebot, der Spaß an der Sache und dass er mir unglaublich viele Freiheiten bietet, auch als Mutter. In welchem anderen Job kann ich denn so selbstbestimmt arbeiten? Was natürlich schwierig ist – quasi die Kehrseite von Flexibilität und Home Office – ist, dass du dir immer selbst in den Hintern treten musst. Und wenn du das nicht kannst, dann ist es schwierig.
Du musst halt bereit sein, auch zwischendrin mal nachzudenken, wo du es vielleicht nicht vorgesehen hast. Ein Beispiel: Ich bekomme per E-Mail eine Anfrage eines Studenten für eine BA-Arbeit, der eine Fragestellung sucht. Zuerst mache ich Feierabend, hole die Kinder ab und irgendwann zwischen Spielzeugautos aufräumen und Vorlesen habe ich eine Idee. Die Idee musste also noch reifen. Das ist ein Job, der fordert einen und der lässt sich nicht klar begrenzen. Manchmal wird es ein bisschen zu viel, da muss man einfach mal fünfe gerade sein lassen, und dabei hilft vielleicht ein Kind auch. Ich glaube aber, dieser Job funktioniert mit Kindern nur, wenn du einen Partner oder ein Umfeld hast, das dich unterstützt.
Das einzige und leider viel zu große Manko ist, dass die Zukunft so ungewiss ist. Aber auch da habe ich viel dazu gelernt: Hier an der Uni bin ich Feministin geworden, weil man sich an vielen Stellen echt was erkämpfen muss. Zum Beispiel habe ich, als es Probleme mit einer Vertragsverlängerung gab, sämtliche Stellen angeschrieben. Fünf Wochen später lag der neue Vertrag bereit. Die Begründung: „Na ja, sie haben sich ja engagiert.“ Also: Nicht alles akzeptieren. Einfach mal für seine Rechte kämpfen, nachfragen. Ich glaube, Selbstbewusstsein gehört auch mit dazu.
Mit welchem Gefühl blickst Du in die Zukunft?
In meinen Überlegungen dazu, wo mich das Ganze hinführt, bin ich zunehmend selbstbewusster geworden, so dass ich sage: Entweder es klappt nach meinenRegeln, oder es klappt nicht. Und andersherum bin ich mir aber auch nicht zu schade – und das hat mich glaube ich bisher auch so weit gebracht – mir Zeit frei zu räumen für wichtige Aufgaben. Wenn die Hütte brennt, dann setze ich mich auch abends noch hin, und würde auch eine Nacht durcharbeiten. Das ist mir aber noch nie passiert.
Die Wahrscheinlichkeit, eine feste Stelle zu kriegen – wobei ich noch nicht mal weiß, ob eine Professur für mich wirklich erstrebenswert ist – ist gekoppelt daran, dass du gut bist und an deinen Einsatz, aber auch viel an Networking und Kontakte. Ich bin inzwischen bereit, das Ganze nur so zu machen, wie ich das will. Und wenn das irgendwann nicht mehr klappt, dann suche ich mir was Anderes. Und da glaube ich, habe ich inzwischen auch genug Selbstvertrauen, Eifer und Energie, dass ich irgendwas finden werde. Ich habe etwas studiert, wofür es wenig direkte Anwendungen gibt und ich kann ziemlich viele unterschiedliche Dinge, das ist nicht zu unterschätzen.
Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass ich irgendwann noch in der Akademia bin, einfach weil das Umfeld zu hart ist. Da werde ich fachlich nicht immer mithalten können, weil die Konkurrenten, die sich dann durchsetzen auf die wenigen Stellen, viel mehr gelesen haben, mehr Expertise, mehr Erfahrungen, mehr Publikationen. Im Moment kann ich noch gut mithalten, aber jetzt merke ich gerade, dass sich ein Loch aus der Elternzeit ergibt. Und dennoch: Die Wahrscheinlichkeit, dass ich eine Professur bekomme, liegt vielleicht bei 5%. Wenn ich mich richtiganstrenge und bspw. jede Nacht bis 3 Uhr arbeite, dann steigert sich die Chance auf 10%. Ist es mir das wert? Nein! Also entweder das Leben spielt mit… oder nicht.
Was ist Dein persönlicher Rat an Promovierende, die über Familiengründung nachdenken?
Sofort! Gutes Vorbild sein für andere, die das auch wollen. Ich glaube tatsächlich, dass die Flexibilität in dieser Phase das sehr gut erlaubt. Und wirklich passen tut’s doch nie… Also, ich würd sagen: Machen! Du kannst ja, wenn es dir gut geht in der Schwangerschaft, auch was für die Diss tun. Wenn du allerdings als Frau oder als Mann deine Diss schreibst und zugleich Hauptmanager/in in der Familie bist, weiß ich nicht, ob das so gut funktioniert. Aber wenn du das gleichberechtigt aufteilen kannst, dann geht es. Also ich glaube, das klappt entweder so, oder mit einem Partner / einer Partnerin, der / die komplett das Management übernimmt.
Laut buwin 2017 schieben viele Nachwuchswissen-schaftler*innen ihren Kinderwunsch auf. Warum glaubst Du, zögern sie?
Na ja, weil das Umfeld dir suggeriert, dass das nicht das Beste ist. Wenn ich niemanden im SFB oder im Kolloquium treffe, der Familie hat, dann komme ich selbst auch nicht auf die Idee, eine Familie zu gründen. Und wenn du dann noch einen Prof vor dir hast, der immer nur Leistung will, dann hast du schnell das Gefühl, da nicht mithalten zu können. Du kannst dir ja auch nur bedingt vorher etwas überlegen. Ich habe jetzt beobachtet, dass sich erst wenn das Kind da ist, rausstellen wird, wie du mit dem Kind umgehst und wie entspannt du bist.
Ein großer Antrieb ist doch sicher auch deine Begeisterung für Dein Fach, oder?
Ja, sonst würde das nicht funktionieren. Sonst hätte ich auch keine Lust, mich abends noch daranzusetzen oder zwischen den Spielzeugautos über BA-Themen nachzudenken. Das ist allerdings auch unabhängig vom Elternsein. Wenn einer keine Lust hat und keinen Spaß am Fach, dann sollte er lieber nicht promovieren. Ich kenne einige, die während der Diss erkannt haben: „Nee, das macht mich nicht glücklich“, und da ist es doch viel mutiger, es dann sein zu lassen. Ist es wirklich das Ziel, der Super-Prof zu werden? Es gibt noch Wichtigeres im Leben.
Liebe Dinah, ganz herzlichen Dank für Deinen Beitrag und die Einblicke in Deine DissMitKind-Zeit!
Wenn Ihr ebenfalls Lust habt, Eure Erfahrungen zu teilen, dann schreibt mir gern an hallo@klarwaerts-coaching.de