Schwanger in der Promotionsphase: Als Elske davon erfährt, ist sie die Einzige im Fachbereich und kann sich mit anderen schwangeren Promovierenden nicht austauschen. Lest selbst, wie sie diese herausfordernde Phase gestaltet hat und was ihre Tipps für Euch sind.
Promovieren mit Kind – oder:
„Wege entstehen dadurch, dass man sie geht“
Promotion und Familiengründung
Ich bin Elske, promovierte Weinbauingenieurin und Wein-Revoluzzerin. Ich lebe mit meinem Mann und unseren zwei Kindern in Köln und bin inzwischen selbstständige Unternehmerin. Promoviert habe ich an der Universität Köln im Fachbereich Mathematik und Naturwissenschaften und meinen Doktor der Naturwissenschaften habe ich mir im Fachgebiet Genetik verdient.
Zur Promotion selbst war ich am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln. Nach meinem Weinbau-Studium an der Hochschule Geisenheim, habe ich einige Jahre in der Weinbauforschung gearbeitet und anschließend meinen Master in Plant Sciences, Studienrichtung Plant Breeding and Genetic Resources an der Wageningen University in den Niederlanden gemacht. Beim Antritt meiner Promotionsstelle war ich 31 Jahre alt.
Am Ende meines zweiten Promotionsjahres wurde ich Mama. Unser Kind kündigte sich zwar unerwartet an, jedoch war es uns sehr willkommen. Daher stellte sich für uns das Thema „Familiengründung“ gar nicht wirklich, denn es war einfach Fakt. Wenn wir ein Kind geplant hätten, hätte ich mir wahrscheinlich nicht erlaubt, während der Promotionszeit schwanger zu werden.
Schwanger in der Promotionsphase
Die ersten Wochen
In den ersten Wochen, als meine Schwangerschaft noch nicht publik war, fühlte ich mich völlig ratlos, wie das funktionieren kann. Ich hörte mich vorsichtig um und versuchte, jemanden zu finden, mit dem ich mich austauschen konnte. Leider kannte selbst die Gleichstellungsbeauftragte keine Doktorandin, die in der gleichen Situation gewesen wäre.
Sie machte mir Mut, mit meiner Doktormutter zu sprechen. Als ich meiner Doktormutter ein wenig unsicher von meiner Schwangerschaft berichtete, brachte sie es auf den Punkt: „Jetzt FREU dich doch!“ Von ihr habe ich viel Unterstützung erfahren.
Eine Frage, die mich anfangs sehr beschäftigte, war, wie ich meine Laborarbeit weiter machen kann, da dort auch mit Chemikalien gearbeitet wurde, mit denen man in der Schwangerschaft nicht in Kontakt kommen darf. In den ersten 12 Wochen habe ich mich daher auf Statistik konzentriert und habe angefangen den ersten Teil meiner Diss zu schreiben. Danach haben mich meine Kollegen immer informiert, wenn sie mit solchen Stoffen hantierten und mich auch unterstützt, wenn ich selbst damit arbeiten musste.
Die Promotion nach der Geburt
Meine Tochter wurde zu einem Zeitpunkt in der Promotionsphase geboren, an dem andere Doktoranden oft einen „Tiefpunkt“ erleben. Statt durch dieses Tal zu gehen, ging ich nach meinen acht Wochen Mutterschutz plus fünf Monaten Elternzeit frisch und mit neuem Blick an die Laborbank – beziehungsweise in mein drittes Jahr.
Da ich als Mama nur noch einem klar abgesteckten Zeitraum von 30 Stunden hatte, wurde ich wesentlich effektiver und konnte dadurch meine Zeit optimaler nutzen als vor der Geburt meines Kindes. Ich wusste ja, dass ich um Punkt 15 Uhr die Pipette beziehungsweise den Stift fallen lassen musste, um meine Tochter bei der Tagesmutter abzuholen.
Betreuungsplatz organisieren
Eine Tagesmutter für unser 5 Monate altes Kind zu finden war nicht leicht, aber wir haben einen guten Platz für sie gefunden. Ich habe mir angewöhnt zu sagen „Das hat sie heute bei mir zum ersten Mal gemacht!“
Da ich noch fast voll gestillt hatte, nahm ich in Kauf, dass unsere Tochter ein bis zwei Milchmahlzeiten am mit der Flasche bekam. Das ist mir wirklich schwergefallen, weil mir das Stillen wichtig war. Aber die Alternative – Abpumpen an meinem Arbeitsplatz in einem Raum, der ziemlich weit zu laufen war, dann die Milch in einem Kühlschrank aufbewahren, der nie richtig sauber gemacht wurde – war für mich keine gute Lösung. Nach dem Abholen habe ich sie dann relativ bald gestillt und damit kamen wir beide gut zurecht.
Abstriche machen
Was ich schade fand, ist, dass dadurch keine Zeit für „Spielereien“ war. Also sich einfach mal Zeit für die Daten zu nehmen, auch mal was auszuwerten, was nicht ganz nach Plan ist. Oder das kleine Extra-Experiment „nur mal, um zu schauen, was dabei herauskommt“. Diese kleinen Dinge eben, die den Unterschied zwischen einem Magna cum Laude und einem Summa cum Laude machen können. Ich habe da meine Ambitionen sehr angepasst und das Pareto-Prinzip kennengelernt: 80 % des Effekts schafft man in 20 % der Zeit.
Abendstunden
Am Ende des dritten Jahres habe ich dann dreimal pro Woche nach dem Abendessen noch mal zu Hause an meiner Dissertation geschrieben. Tatsächlich habe ich meine Promotion nach knapp vier Jahren verteidigt, was – abzüglich 8 Wochen Mutterschutz und 6 Monate Elternzeit – kürzer ist, als die meisten anderen Doktoranden. Das hat mich einiges an Kraft gekostet, aber ich wollte sie unbedingt fertigbekommen und nicht irgendwie „verschleppen“. Mein Mann hat mich in der Zeit sehr unterstützt und auch zusätzlich zu seinem noch meinen Haushaltsanteil übernommen.
Die Balance finden
Es war schwierig für mich, eine gute Balance im Umgang mit den Kollegen zu finden. Denn eine verlängerte Kaffeepause bedeutete für sie einfach abends eine halbe Stunde länger zu bleiben. Für mich jedoch der Verlust von Arbeitszeit. Ganz ohne ging es aber auch nicht, denn beim Kaffee konnten wir uns austauschen über unsere Projekte und wichtige Impulse sammeln.
Auch für mich selbst habe ich wenig Auszeiten genommen. Das würde ich heute anders machen. Denn gerade, wenn die beruflichen Herausforderungen sehr hoch sind, ist es total wichtig, kleine Auszeiten zu nehmen. Das ist auch ein Grund dafür, dass ich inzwischen ambitionierten Frauen dabei helfe, sich kleine, genießerische Auszeiten im trubeligen Alltag zu nehmen – zum Beispiel mit einem Mädelsabend.
Rückblickend
Ich bin sehr froh, dass ich meine Dissertation zu Ende gebracht habe. Von Anfang an war mir klar, dass ich weder mir noch meiner Tochter einen Gefallen damit tun würde, das Projekt zu stoppen oder es als ewiges To-Do mit mir herumzuschleppen und vielleicht nie zu beenden.
Warum gibt es nicht mehr Promovierende mit Kind?
Die Gründe darin liegen meines Erachtens im System der Wissenschaft. Es herrscht an vielen Orten immer noch die Meinung, dass ein*e Doktorand’in die gesamte Arbeitskraft und einen großen Teil der Freizeit in die Doktorarbeit stecken sollte. Das Alles bei halbem Gehalt. Ohne Doktorand*innen käme die Wissenschaft nicht gut voran.
Dass die Produktivität und Effektivität bei so vielen Stunden – teilweise bis spät nachts – leidet, ist vielen dabei nicht bewusst. Dieser Rhythmus passt auch einfach nicht zu Eltern, deren Tag früh anfängt und die früh Feierabend machen müssen, um zu ihrem „Zweitjob Kind“ zu eilen.
So ging es weiter nach der Promotion
Ich selbst hatte selbst sehr viel Glück mit meiner Doktormutter und außerdem das Privileg, meine gesamte Arbeitszeit in die Promotion stecken zu können – ohne Lehrveranstaltungen und Praktika, da ich nicht im Universitäts-Betrieb promoviert habe.
Nach Abschluss meiner Promotion habe ich mir die Frage gestellt, ob ich weiterhin in der Forschung mit ihren Papern, Anträgen, Berichten und Zeitverträgen blieben möchte. Die Antwort lautete für mich: Nein. Denn meine Leidenschaften sind Wein, Menschen und Schreiben. Ich liebe es nach wie vor, zu verstehen, wie die Dinge funktionieren. Doch ich mag es auch, Wissen einfach aufbereitet zu vermitteln. Deshalb habe ich in der Elternzeit meines zweiten Kindes meinen Blog genaumeinwein.de gestartet, der inzwischen zum größten Weinblog für Frauen im deutschsprachigen Raum aufgestiegen ist. Ich helfe Frauen dabei, sich selbst in den Mittelpunkt ihres Lebens zu stellen und herauszufinden, was ihr ganz individueller Weingeschmack ist. Dafür habe ich die sechs Wein-Geschmackstypen entwickelt. Denn so wie du einen Männer- oder Frauentyp gut findest, gibt es auch einen Typ Wein, der dein Herz zum Schmelzen bringt.
Meine besten Tipps für Euch
Ich habe von meiner Doktormutter unglaublich viel Unterstützung erfahren, die ich zuvor gar nicht einplanen konnte. Es taten sich neue Wege auf, an die ich selbst nicht gedacht hatte – zum Beispiel war es möglich, meine Arbeitszeit von Vollzeit auf 30 Stunden zu reduzieren und es gab keine Meetings nach 15 Uhr. Mein Lieblingsspruch: „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.“ (Kafka).
- Wenn du darüber nachdenkst, ein Kind während deiner Promotionsphase zu bekommen, dann warte nicht. Es werden sich Wege finden.
- Wenn du schon promovierend mit Kind bist, dann zögere nicht, die Hilfe anzunehmen, die du angeboten bekommst. Und dir Unterstützung zu holen, da wo du es brauchst.
- Bleib dran. Du schaffst das schon!
- Stelle dich selbst in den Mittelpunkt und sei die Heldin in deinem eigenen Leben.
- Schaffe dir kleine Auszeiten und gönne dir Dinge, einfach nur, weil sie dir guttun.
Liebe Elske, ich danke Dir ganz herzlich, dass Du Dich für uns zurück erinnert hast und Deine Erfahrungen mit uns teilst!
Bist Du auch gerade schwanger in der Promotionsphase und suchst Orientierung für die nächste Zeit? Ich helfe Dir gern weiter! Hier findest Du Infos zu meinem Coachingangebot für promovierende Eltern. Du suchst den Austausch mit anderen promovierenden Eltern? Dann komm‘ gern in meine Facebook-Gruppe, das virtuelle DissMitKind-Café!
Vielen Dank für die Gelegenheit, meine Geschichte zu teilen!
Wenn nur eine Frau oder ein Mann dadurch inspiriert wird, in dieser Schaffensphase der Promotion selbstbestimmt, bewusst und mit Freude „Ja“ zu einem Kind zu sagen, dann hat es sich schon gelohnt.
Ich finde deine Arbeit so wichtig, liebe Majana. Wie ich schon spontag gesagt habe: Diesen Blog und dein Angebot hätte ich vor ein paar Jahren gebraucht!
Herzliche Grüße aus Köln,
Elske