Viele Promovierende nehmen sich vor, ihre Elternzeit zu nutzen, um sich endlich der Promotion zu widmen. Was das Planen schwierig macht und wie Du in den unterschiedlichen Phasen der Elternzeit an Deinem Promotionsprojekt dranbleibst, das erfährst Du in diesem Beitrag.
Welchen Stellenwert hat Deine Doktorarbeit in der Elternzeit?
Bevor es um das WIE geht, frage Dich: Möchtest Du das überhaupt? Wie ist eigentlich Deine Vorstellung von Deiner Elternzeit? Ist es Deine bewusste Entscheidung, einen Teil dieser Zeit der Diss zu widmen? Oder erwartet jemand Anderes von Dir, dass Du Deine Promotion voranbringst? Einige frisch gebackene Eltern wollen die Zeit ganz bewusst mit dem Kind verbringen; andere sind wiederum froh über Abwechslung vom Babyalltag und eine geistige Herausforderung. Wichtig ist, dass Du Dir über Deine persönliche Haltung zum Promovieren in der beruflichen Auszeit (wenn es denn eine ist) klar wirst, denn das macht für Deine Motivation einen großen Unterschied.
Was das Planen schwierig macht
Auch wenn Du vor der Geburt des Kindes fest entschlossen bist, Deine Diss voranzubringen, ist klar: Wie sich die Situation anfühlt und was an produktiver Arbeit möglich sein wird, lässt sich schwer vorhersagen. Unter Anderem spielen die folgenden Faktoren dabei eine Rolle:
Emotionales Erleben der neuen Situation
Du hast Dir vielleicht vorgenommen, das Baby so bald wie möglich Deinem Partner oder einer Betreuungsperson zu überlassen und regelmäßig Zeit am Schreibtisch zu verbringen. Doch plötzlich fühlt sich das gar nicht mehr so leicht an. Du kannst Dich nicht konzentrieren, wenn das Kind im Nebenraum weint oder Du möchtest einfach lieber die wertvolle Zeit mit ihm verbringen. Wie leicht oder schwer es Dir fällt, Dich von Deinem Kind zu trennen und Deine Aufmerksamkeit Deiner Doktorarbeit zu widmen, ist vorher nicht absehbar.
Mangel an Schlaf und Energie
Wenn Du noch keine Kinder hast, wird der neue (meistens nicht vorhandene ;)) Rhythmus wahrscheinlich eine riesige Umstellung für Dich und Deine*n Partner*in bedeuten. Manche Eltern (ich gehöre auch dazu) gewöhnen sich nur sehr langsam daran, dass nun jemand Anderes das nächtliche Aufwachen bestimmt und dass am Abend nicht klar ist, wie viel Schlaf die kommende Nacht bringen wird. Auch unabhängig vom Schlafmangel kostet ein kleines Kind Dich möglicherweise mehr Energie, als Du zuvor angenommen hast. Das macht es einfach schwierig, vorher passende Arbeitspakete zu schnüren und realistische Fristen zu setzen.
Prioritäten verschieben sich
Wenn Du an einer Hochschule angestellt bist, hast Du durch den Mutterschutz wahrscheinlich schon etwas Abstand von Deinem Job gewonnen. Je mehr Du in den „Babykosmos“ eintauchst, desto weiter entfernt sich die Promotion aus Deinem Alltag und aus Deinen Gedanken. Möglicherweise taucht eine Stimme zwischendurch auf, die sagt: „Eigentlich wollte ich ja…aber jetzt passt es gerade nicht, weil…“. Es ist hilfreich damit zu rechnen, dass sich die Prioritäten in der Elternzeit verschieben – und dass es mehr Anlauf kosten wird, Dich wieder mit Deiner Doktorarbeit auseinanderzusetzen. (Hier findest Du Hilfe, wenn Du mit Deinem Promotionsprojekt wieder in Kontakt kommen willst.)
Im Hinblick auf diese Unwägbarkeiten rate ich Dir, möglichst flexibel in die Elternzeit zu gehen. Im Folgenden findest Du ein paar Anhaltspunkte dazu, wie Du Dir je nach Alter Deines Kindes die passenden Ziele setzt – oder bewusst auch gar keine.
Was geht wann? Das Alter des Kindes und Dein Produktivitätslevel für die Doktorarbeit
Die ersten Wochen nach der Geburt: Bewusst ankommen.
In den ersten Wochen nach der Geburt ist voraussichtlich nicht an die Promotion zu denken. Ein Kind kann Dein bisheriges Leben total auf den Kopf stellen. Durch Schlafmangel und Babychaos rücken fachliche Fragestellungen oder das nächste Kapitel Deiner Diss wahrscheinlich in weite Ferne. Und das ist auch gut so, denn in dieser Zeit ist das Ankommen im neuen Leben als Mutter oder Vater das Wichtigste! Lass’ Dich hier nicht von einem schlechten Gewissen plagen, sondern konzentriere Dich ganz auf Dein Kind, auf das Kräftesammeln und auf Euer neues Leben. Die Dissertation kann warten.
Natürlich kann es hier auch Ausnahmen geben: Wenn Du bereits ein oder mehrere Kind/er hast, wenn Dein Baby viel schläft und Du Dich schnell wieder fit fühlst, gehst Du vielleicht entspannter durch diese erste Zeit als ich es oben beschrieben habe. Vielleicht bist Du sogar froh, neben Stillen/Fläschchen, Windelnwechseln und Wäschebergen noch etwas Anderes tun zu können. Ob Du hierfür direkt zur Doktorarbeit greifen magst, ist eine andere Frage… 😉 Damit will ich sagen: Setz‘ Dich nicht selbst unnötig unter Druck, wenn Du jetzt noch nichts schaffst.
Das erste halbe Jahr: Zeiträume schaffen und Anknüpfungspunkte finden.
Nach ein paar Monaten seid Ihr sicherlich in einem neuen Alltag angekommen. Das unüberschaubare Anfangschaos weicht einem zu bewältigenden Alltagschaos, Du kennst Dein Kind und seine Vorlieben und weißt, wie sich Tage und Nächte mit Baby anfühlen und wann Du Dich tagsüber fit fühlst.
Das heißt jedoch nicht, dass Deine Produktivität automatisch von 0 auf 100 steigt 😉 Sie hängt sicherlich stark von unterschiedlichen Faktoren ab: Wie ist Dein Kind insgesamt zufrieden bzw. welche Bedürfnisse hat es? Wie sind seine Schlafenszeiten (wenn man so etwas überhaupt sprechen kann…)? Wie sieht Dein eigener Energiehaushalt aus? Welche Unterstützung hast Du aktuell? Kannst Du Dir freie Zeiträume schaffen? Und kannst Du Dir vorstellen, diese mit Deiner Doktorarbeit zu füllen und ihr wieder eine höhere Priorität einzuräumen? Diese Überlegungen müssen u.U. jeden Tag neu getroffen werden: Ein krankes Kind, eine durchwachte Nacht, die ersten Zähne oder eigene gesundheitliche Probleme können die Prioritäten sehr kurzfristig verschieben.
Wenn Du Dich gut fühlst und die Diss in Deinen Elternzeit-Alltag integrieren möchtest, dann ist es Zeit für einen ersten Überblick zum Stand der Dinge:
- Womit hast Du Dich zuletzt beschäftigt?
- Welche Ziele hast Du Dir gesetzt?
- Welche davon erscheinen Dir jetzt gerade realistisch?
- Was wäre ein erster Schritt, um mit Deinem Thema wieder in Verbindung zu kommen?
Um nach einer längeren Unterbrechung wieder reinzufinden, empfehle ich Dir ein Vorgehen nach dem „Gefällt mir-Prinzip“: Suche Dir eine Aufgabe, auf die Du Lust hast. Wichtig ist, dass sie begrenzt ist, z.B. „Ich lese heute die ersten 5 Seiten meines zuletzt geschriebenen Kapitels“ oder „Ich erstelle für 15 Minuten eine MindMap mit meinen derzeit offenen Fragen“. Alternativ kannst Du auch mit einer Schreibübung beginnen und Dich so „aufwärmen“– dazu gibt es hier bald mehr zu lesen.
Wenn Du Dich mit Deinem Thema wieder vertraut gemacht hast, ist es an der Zeit für eine passende Arbeitsroutine.
Die weitere Elternzeit: Routinen etablieren und Kontakt aufnehmen.
Je weiter die Elternzeit voranschreitet bzw. je älter Dein Kind wird, desto mehr kannst Du wieder mit Deiner Doktorarbeit widmen. Wenn es Dein Ziel ist, sie aktiv voranzubringen, dann geht es jetzt darum, Dir funktionierende Arbeitsroutinen zu schaffen. Diese können beinhalten:
- Arbeitszeit: Feste Zeiträume, in denen Du Dich konzentriert Deiner Diss widmen kannst. Achte hierbei auf Deine geistige „Fitness“ (nicht alle mögen es, abends am Schreibtisch zu sitzen).
- Arbeitsort: Ein Ort, an dem Du produktiv sein kannst. Falls Kind und Partner*in zu Hause sind und Dich ablenken, kann ein Ortswechsel, z.B. in die örtliche Bibliothek, sinnvoll sein.
- Zielklärung: Setze Dir ganz konkrete und realistische Ziele und prüfe immer wieder, ob sie zu Deiner Routine passen.
Neben dem Bezug zu Deiner Doktorarbeit ist das zweite Lebenshalbjahr Deines Kindes auch eine gute Möglichkeit, wieder Kontakt zu Deiner Betreuungsperson und Deinen Kolleg*innen aufzunehmen. Vielleicht möchtest Du ihnen einen Besuch abstatten oder – falls der Weg zu weit ist – ein Skypegespräch vereinbaren. Vielleicht steht eine Tagung, ein Kolloquium oder eine Disputation im Fachbereich an, die Du zum Anlass nehmen kannst. In jedem Fall ist es gut, Dich sichtbar zu machen und wieder in den persönlichen Austausch zu kommen. Dadurch wird eine größere Verbindlichkeit geschaffen, die Dir sicherlich gut tut.
Ich empfehle Dir, Dich spätestens jetzt wieder mit Deiner Betreuungsperson in Verbindung zu setzen. Berichte ihr, wo Du aktuell stehst und wie es Dir gerade ergeht. Auch wenn Du nicht so gut vorangekommen bist wie geplant, ist es besser, von Anfang offen zu sein und die Realität nicht zu verfälschen. Das setzt Dich nur zusätzlich unter Druck für den Zeitpunkt Deiner Rückkehr und kann den Widerstand erhöhen, weiterzumachen. Wer weiß – vielleicht bringt er/sie Dir ja mehr Verständnis entgegen als erwartet, hat ein paar Tipps parat oder kann Dich zum Dranbleiben motivieren.
Wenn Du beim Lesen über so eine Kontaktaufnahme und über regelmäßiges Arbeiten an der Dissertation einen inneren Widerstand verspürst, dann ist es möglicherweise Zeit, innezuhalten und Deine Motivation neu zu klären.
Trotz Abstand von der Dissertation: Wie bleibe ich am Ball?
Vielleicht stellst Du im Laufe Deiner Elternzeit fest, dass Du mehr und mehr auf Abstand zu Deinem Promotionsprojekt gegangen bist. Dein Blick auf die Doktorarbeit hat sich garantiert verändert, denn nun ist mit Deinem Kind etwas viel Wichtigeres in Dein Leben getreten. Manchmal führen die gedankliche, emotionale und räumliche Distanz zum Arbeitsplatz dazu, dass starke Zweifel an der Promotionsabsicht auftauchen und ein Abbruch im Raum steht.
Wenn sich so ein Gefühl der Unsicherheit bei Dir einstellt und Du wenig Lust verspürst, die Dissertation weiterzuverfolgen, dann empfehle ich Dir, während Deiner Elternzeit zu reflektieren, was die Doktorarbeit für Dich bedeutet. Es kann z.B. helfen, Dir Deine Motivation neu vor Augen zu führen oder passende Arbeitsstrategien zu entwickeln.
Fest steht: Dein Kind wird ab jetzt neben der Promotion immer eine wichtige (und wahrscheinlich die wichtigere) Rolle spielen. Ein Gefühl der Zerrissenheit oder ein schlechtes Gewissen begleitet fast alle promovierenden Eltern. Die Frage ist, wie Du für Dich damit umgehst und wie Du Deinen eigenen Weg zum Doktortitel gut gestalten kannst.
Um mit neuem Schwung in die nächste Phase Deiner Promotion zu starten und langfristig am Ball zu bleiben, kann ein Coaching helfen. Wenn Du Interesse hast, schreibe mir jederzeit eine Mail um ein unverbindliches Gespräch zu vereinbaren. Dies kann am Telefon, per zoom oder face-to-face stattfinden, und natürlich gern mit Kind J
Hier auf dem Blog findest Du außerdem nützliche Tipps für Deine Promotion in der Elternzeit.